Was gute Führungskräfte können müssen – gerade auch in schwierigen Situationen.
Was macht gute Führung und was macht eine gute Führungskraft aus? Diese Frage wird offenbar meist nicht ausreichend beantwortet. Umfragen zufolge wird schlechtes Führungsverhalten sogar sehr häufig toleriert – harte Umsatzzahlen stehen (zu) häufig vor der Mitarbeiterzufriedenheit als Erfolgsindikator. In Krisenzeiten überleben Unternehmen ohne zufriedene Mitarbeiter jedoch signifikant häufiger nicht.
Im Rahmen einer Untersuchung der Hochschule Osnabrück mit 400 Befragten aus 118 Unternehmen ergab sich folgendes Bild:
- Führungsverhalten ist bei 85% der befragten Unternehmen Bestandteil der Personalbeurteilungsbögen,
- 80% (!) der Befragten sehen in schlechtem Führungsverhalten keinen Grund, sich von Führungskräften zu trennen.
- 90% der Befragten geben dem operativen Ergebnis einen hohen bzw. sehr hohen Stellenwert.
- 17% der Befragten interessieren sich dafür, wie hoch die Fluktuationsrate unter ihren Mitarbeitern ist.
Eine Führungskultur, die motiviert, fördert und einen stabilen Rahmen zur Befähigung von Mitarbeitern schafft, scheint in deutschen Unternehmen (noch) nicht durchgehend gefragt zu sein. Nicht gefragt obwohl Opportunitätskosten der Neueinstellung, Imageverluste bei hoher Fluktuation und Probleme in der Nachbesetzung qualifizierter Stellen immer häufiger deutlich spürbar werden (Stichwort „war of talents“).
In der Managementberatung erleben wir viel zu häufig, „dass der Fisch vom Kopfe stinkt“. Die meisten Probleme entstehen durch Führungskräfte, die nicht, falsch oder unzureichend führen. Gepaart ist schlechte Führung hier häufig mit gering ausgeprägter (zielführender!) Kommunikationsfähigkeit und einer nur gering ausgeprägten emotionalen Intelligenz.
Was also macht gute Führung oder eine gute Führungskraft aus? Hier ein Überblick zu Grundsätzen, Werkzeugen und Aufgaben guter Führung, entnommen aus “Das Dschungelbuch der Führung” von Ruth Seliger und Carl Auer.
Grundsätze, Aufgaben und Werkzeuge guter Führung
Nach welchen Regeln sollte gespielt, welche Aufgaben wahrgenommen werden und welche Werkzeuge zum wirksamen Führen zur Verfügung stehen…
Grundsätze wirksamer Führung
- Ergebnisorientierung
- Konzentration auf notwendiges
- Stärken nutzen (Ressourcenorientierung)
- Vertrauen
- Beitrag zum Ganzen
Aufgaben wirksamer Führung
- Ziele definieren
- Menschen entwickeln und fördern
- Organisieren
- Entscheiden
- Kontrollieren
Werkzeuge wirksamer Führung
- Persönliche Arbeitsmethode
- Budgetierung
- Gesprächsführung
- Berichtskontrolle
- Job Design and Assignment Control
- Leistungsbeurteilung
- „Systematische Müllabfuhr“
- Systemische Führung
Praxis der guten Führung
Eine gewisse Begabung in Fragen der Führung hilft, Führungskompetenzen müssen in erster Linie aber gelernt und erfahren werden – wie eben bei allen Fähigkeiten, die man erwerben und lernen kann.
Führung in Unternehmen richtet sich an drei unterschiedliche Adressaten:
- Führung von Mitarbeitern
- Führung von Unternehmen bzw. Organisationen
- Eigenführung
Führung von Mitarbeitern
Mitarbeiter-Führung dient dazu Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an das Unternehmen/die Organisation zu binden. Sie dient ausserdem dazu Loyalität, Engagement und Leistungsbereitschaft von Mitarbeitenden sicher zu stellen und somit Leistungsprozesse zu sichern, zu fördern und zu begleiten. Davon „lebt“ die Organisation.
Zentrale Aktivität ist Kommunikation, als Kerngeschäft des Führens.
Führung der Organisation
Führung richtet sich nicht nur auf die eigene Person, sondern vor allem auf die Organisationseinheit, in der Leistung erbracht wird – der eigene Bereich, die eigene Abteilung oder die gesamte Organisation.
Im Fokus stehen hier Ressourcen, Strukturen, Prozesse, Abläufe, Schnittstellen, und auch Spielregeln. Kurz: Die Rahmenbedingungen von Arbeit und Leistung. Gefordert sind hier vor allem Entscheidungen.
Durch Entscheidungen wird Komplexität reduziert und Orientierung geschaffen.
Eigenführung
Die eigene Führung bedeutet Reflexion der eigenen persönlichen Werte, Muster und Ideale, die wiederum mittels Kommunikation in den Führungsalltag einfließen und das Zusammenspiel mit den Mitarbeitern gestalten. Auch so triviale Themen wie Zeitmanagement und Arbeitsorganisation gehören dazu – sind sie doch häufig Ausdruck der Wertschätzung anderen gegenüber.
Gute Führung als Berufung
Gerade Führungskräfte, die vor allem wegen ihrer fachlichen Leistung befördert wurden, nehmen an Führung erledige sich „nebenbei“. Führung ist im Gegenteil aber keine „Nebentätigkeit“ der „eigentlichen Arbeit“ untergeordnet und beigestellt. Im Gegenteil: Wer sein Tun als Führungskraft als Beruf und als Auftrag begreift, stellt die Führung auf eine inhaltliche und funktionale Basis. Das bedeutet in Folge, dass Führung gewissen Qualitätsstandards genügen muss.
Qualitätskriterien zur Professionalisierung von Führung:
- Theorie und Wissen
- Rollenklarheit
- Instrumente
Theorie und Wissen
Die eigene Theorie der Führung gibt Antwort auf die Fragen: Wie sollte ich mich als Führungskraft verhalten? Was erwarten Untergebene und andere Führungskräfte von mir? Was kann ich von meinen Anspruchsgruppen erwarten? Warum mache ich die Dinge so, wie ich sie mache?
Fundiertes Führungswissen hilft dann, die eigene Führungsrolle zu gestalten. Führungswissen benötigen Führungskräfte in den Gebieten
- Kommunikation und Psychologie
Welche Gesetzmäßigkeiten gelten im Zusammenspiel zwischen Führenden und Untergebenen? - Organisationen
Nach welchen Regeln funktionieren komplexe Systeme, wie „ticken“ sie, was macht Organisationskultur aus, wie kann man sie verändern? - Selbsterfahrung und Selbsterkenntnis
Welche Antreiber habe ich, was sind meine „blinden Flecke“ als Führungskraft, welches meine besonderen Talente? - Steuerung lebender Systeme
Führung ist Anders. Führung ist kein technisches System. Systematisches Denken wieder ist eine wundervolle Möglichkeit Führung zu denken. - Inhalte der Arbeit
Fachwissen über das spezifische Arbeitsfeld und spezifisches Management-Wissen für das Unternehmen
Rollenklarheit
Als „Rolle“ bezeichnet man die Summe der Erwartungen, welche die Umwelt an die Führungskraft hat.
Führung ist eine von vielen möglichen Rollen. Zu wissen, in welchen Rollen man situativ gerade ist, welche Erwartungen jeweils an einen gerichtet werden ist entscheidend für die Qualität des eigenen Führungshandelns.
Typische Rollenerwartungen an Führungskräfte können zum Beispiel sein:
- EntscheiderIn
- StrategIn
- ModeratorIn
- MediatorIn
- IntegratorIn
- SchiedsrichterIn
- KapitänIn
- Talentscout
- PersonalentwicklerIn
Rollen können sich verändern, wobei die Rollenklarheit ein kontinuierlicher Prozess des Aushandelns und Klärens ist. Die jeweils passende Rolle zu übernehmen und konsequent zu füllen erfordert ein klares Bewusstsein über die eigenen Aufgaben. Auch setzt Rollenklarheit voraus, dass Führungskräfte stets aufmerksam sind und die sich plötzlich oder kaum wahrnehmbaren Anforderungen der Umwelt registrieren.
Instrumente
Schön wäre es, wenn wir einen immer einsatzklaren „Werkzeugkoffer“ für Führung erfinden könnten. Leider bedeutet Führung aber, dass man hochflexibel mit seinem Handwerkszeug umgehen können muss. Das Werkzeug aber situativ anzupassen und einzusetzen ist.
Es gehört zum Job einer Führungskraft zu wissen, dass es keinen allgemeingültigen Methodensatz gibt. Eine allgemein gehaltene Methodenkiste lässt sich jedoch schon ableiten, allein schon aus den gegebenen Aufgaben in der Führung:
- Kommunikation beherrschen
Fragen, Feedback-Gespräche, Kritik-Gespräche führen
Spielregeln, Kultur, Rahmenbedingungen, Medien - Entscheidungsinstrumente einsetzen
Priorisieren, informationsbasiertes Entscheiden, emotional gesteuerte Entscheidungen - Planungsinstrumente nutzen
- Instrumente der Reflexion
Wege persönlichen Nachdenkens, Coaching, Seminare - Instrumente des Eigenmanagements
Zeitmanagement, Prioritäten- und Aufgabenmanagement, Projektmanagement, Präsentationstechnik, Kommunikationsinstrumente
Diese Instrumente erfüllen ihren Zweck nur dann, wenn sie auf der Basis guter Theorien und einer klaren Rolle, jederzeit selbstreflektierend eingesetzt werden.
Gute Führung als Prozess
Führung als solche endet nicht einfach. Führen kann man nicht reduzieren auf bestimmte Situationen, Interventionen, Gespräche. Führung ist zu sehen als kontinuierlicher Prozess, als ständige Interaktion mit Mitarbeitern, anderen Abteilungen, Zielvorgaben, Ressourcen und der Unternehmensumwelt. Führung ist keinesfalls befristet, oder ein Projekt. Führung ist eine Daueraufgabe.
Der Führungsprozess wird bestimmt und getrieben durch:
- Wachsamkeit
- Wertschätzung
- Wahrnehmungsfähigkeit
- Konzentration auf Wesentliches
- Wirksamkeit
Wachsamkeit
Gute Führung braucht
- Lust zu beobachten, Wach zu sein
- Neugierde, Offenheit und Aufmerksamkeit
- echtes Interesse, Fragen, Lernwillen
- Refektion um zu erkennen was man weiß, glaubt zu wissen und noch nicht weiß
Wertschätzung
Führung lebt von und braucht selbst Respekt. Führungskräfte verdienen durch ihr Handeln die Achtung und den Respekt ihrer Mitarbeiter, können diese jedoch nur dann gut führen wenn sie selbst diesen Respekt zurück geben, auf Augenhöhe begegnen und dennoch klare Vorgaben machen können. Wertschätzung richtet sich auf die Person, sie ist eher unabhängig von Taten und der Leistung des Gegenüber.
Wahrnehmungsfähigkeit
Mit einer reinen Informationen ist es nicht getan: Es gilt, die Information fundiert zu bewerten und die richtigen Schlussfolgerungen zu ziehen als Grundlage für weitere Entscheidungen. Wichtig ist, Informationen sorgfältig auszuwerten, z.B. unter Anwendung von WERkzeugen wie dem BRUI-Zyklus: Beobachtung, (Reflexion der eigenen) Reaktion, Urteil, Intervention.
Viele Menschen überspringen die Reflexion ihrer emotionalen Reaktion und urteilen schnell. Fatalen Kurzschlussentscheidungen können die Folge sein, die sich ggf. zerstörerisch auf Beziehungen zu Mitarbeitern auswirken. Wer sich nach dem Aufnehmen einer Information („Beobachtung“) fragt, welche emotionale Reaktion diese im eigenen Inneren auslöst und wem es gelingt, die Beurteilung von der emotionalen Reaktion zu trennen, trifft klügere Entscheidungen.
Wirksamkeit
Führungskräfte müssen Situationen gestalten und Entscheidungen treffen. Die gewonnen Informationen und Interpretationen müssen hierzu in Entscheidungen und Handeln umgesetzt werden.
Systemische Führungsprinzipien
In unserer Arbeitskultur wird Führung als Aufgabe des Problemlösens verstanden. Unser fachliches Verständnis als Berater sagt uns aber, dass Führung vor allem dazu dient Potenziale von Menschen und Organisationen zu erkennen und zu fördern. Führung im Sinne eines systematischen Ansatzes, davon sind wir überzeugt, ist heute der Weg zum Erfolg:
- Sinn schaffen oder erkennen lassen
- Freude ermöglichen
- Stärken fördern
- Die richtigen Fragen stellen
Sinn schaffen
Untersuchungen des Psychologen Martin E.P. Seligmann zeigen, dass das Glücksempfinden von Menschen von bestimmten Parametern enorm gesteigert wir: das Empfinden Teil eines größeren Ganzen zu sein und den Sinn des eigenen Handelns aus dieser Zugehörigkeit ableiten zu können. Der so empfundene Sinn stellt einen größeren Zusammenhang her, der unserem Handeln Bedeutung gibt.
Die Aufgabe guter Führungskräfte ist es also nicht nur den Sinn der eigenen Aufgabe bewusst zu sehen, sondern auch dafür zu sorgen, dass MitarbeiterInnen und so letztlich die gesamte Organisation den Sinn des Handelns und jeder einzelnen Aufgabe verstehen.
Sinnstiftend zu handeln erweitert den Blick über den eigenen Tellerrand hinaus. Bei der Frage nach sinnvollem Handeln stellen sich automatisch Fragen nach der eigenen Wirkung, der eigenen Verantwortung und nach ethischen Kategorien unseres Handelns. Sinn zu schaffen in der Führungsrolle bedeutet daher auch, verantwortungsvoll und nach festen ethischen Prinzipien zu handeln.
Freude ermöglichen
Wir alle wissen: Erfolg kann man kaum verhindern, wenn man etwas mit wirklicher Freude tut. Gute Führung sorgt heute dafür, dass Zeiten vorbei sind, in denen Arbeit als ernst und schwer empfunden wurde
Systemisch denkend und handelnde Führungskräfte schaffen die Voraussetzungen dafür, dass Mitarbeiter sich einer herausfordernden Aufgabe stellen, ihre Begabungen (Stichwort Ressourcenorientieung) einbringen und mit Interesse und Engagement Lösen was es zu lösen gibt. Eine Führungskraft die selbst mit Spaß und Freude ihrer Verantwortung nachkommt kann wiederum selbst Freude stiften, Mitarbeiter führen und fördern.
Stärken fördern
Es ist sinniger Stärken von MitarbeiterInnen zu fördern als Schwächen auszugleichen. Führung bedeutet also in diesem Sinn, daß Aufgaben aus dem ressourcenorientierten Blickwinkel verteilt werden sollen. Somit richtet sich die Aufmerksamkeit der Führungskraft vor allem auf Stärken, Potenziale und Ressourcen von Mensch und Organisation – allein schon dieser positive Blickwinkel wiederum führt zu Freude und Erfolgserlebnissen.
Die richtigen Fragen stellen
Führungskräfte, die glauben, auf alle Fragen die richtige Antwort zu haben, schaden ihrem Unternehmen! Berauben sie doch ihre Organisation einer wichtigen Ressource: Das Wissen und die Problemlösungsfähigkeit der Mitarbeiter. Nicht der „Direktor“ ist die beste Führungskraft, sondern der „Evokator“, also eine Führungskraft, die die besten Fragen stellt und auslöst. Um dieses Potenzial auszuschöpfen, braucht es eine ausgeprägte Fragekultur, eine Kultur des gemeinsamen analysierens von Standpunkten und einer gemeinsamen Suche nach der besten Lösung. Dieses gemeinsame arbeiten auf Augenhöhe funktioniert dann sehr gut, wenn die Führung eine Atmosphäre geschaffen hat in der Respekt, Vertrauen, Wertschätzung groß geschrieben werden und in der ein klares Bekenntnis zu einer sinnstiftenden Fehlerkultur außer Frage steht.
Tolle Führungskräfte schaffen so einen Sog aus eigenverantwortlichem, hochmotivierten Arbeiten satt Druck und Angst.
Quellen: Martin E. P. Seligman und die Positive Psychologie, November 2012; Dr. J. Wonde, F. Grolmann, 11 wirksame Tools, die moderne Führungskäfte erfolgreich machen; F. Grolmann, Gute Führung